Mittwoch, den 29. Dezember 2010

Auszug aus dem Beschluss des OLG München vom 15.03.1999 26 UF 1502/98 u. 1659/98

Auszug aus dem Beschluss des OLG München vom 15.03.1999 26 UF 1502/98 u. 1659/98

“Jedes Kind hat von Geburt an ein unveräusserliches Recht auf die gelebte Beziehung zu beiden Eltern. Diese Eltern-Kind-Beziehung dauert ein Leben lang und endet nicht mit der Trennung der Eltern.

Das Eltern-Kind-Verhältnis ist die Basis für eine gesunde körperliche, seelische und intellektuelle
Entwicklung des Kindes. Nur eine positive Beziehung zu beiden Eltern hat günstige Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl, auf die eigene Beziehungsfähigkeit, auf die Lebenszufriedenheit und die Lebensqualität des Kindes. In diesem Sinne sind die Vorzüge der gemeinsamen elterlichen
Sorge gegenüber der Alleinsorge gerade darin zu sehen, dass die Bindungen des Kindes zu beiden Eltern besser aufrechterhalten und gepflegt werden und dass das Verantwortungsgefühl und damit die Verantwortungsbereitschaft beider Eltern gegenüber dem Kind erhalten bleiben und gestärkt werden können, wodurch sich die Chancen vergrössern, dass das Kind trotz der Trennung zwei in
jeder Hinsicht vollwertige Elternteile behält.”

Bindungstoleranz
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Mit Bindungstoleranz wird die Fähigkeit eines Elternteils bezeichnet, die Bindungen des Kindes zum anderen Elternteil, bzw. zu anderen wichtigen Personen, zu respektieren und ihre Aufrechterhaltung wenigstens zu tolerieren. Fehlende Bindungstoleranz ist ein Zeichen für eine eingeschränkte Erziehungsfähigkeit und kann in schweren Fällen eine Gefährdung des Kindeswohls nach §1666 BGB darstellen.
Sorgerechtsübertragung wegen mangelnder Bindungstoleranz, verbunden mit Uneinsichtigkeit.

ZS – FamS -Beschluss v. 29.8.2002 -10 UF 229/02

Aus FamRZ 2003, Heft 6, S. 397, Nr. 264 OLG Dresden -BGB §§ 1671 1 Nr. 2, 1666; KostO §131 III

Aus den Gründen:

Das AmtsG -FamG -V. hat dem Vater gemäß §1666 BGB das Sorgerecht über die Kinder übertragen. Auch nach Auffassung des Senats erlaubt das Kindeswohl keine andere Entscheidung. Ziel …

Der Sachverständige [SV] hat festgestellt, dass aus Gründen des Kindeswohls das Interesse der Mutter an einer Übertragung des Sorgerechts auf sie zurückzustehen hat. In der Verhandlung vor dem AmtsG hat er daher empfohlen, dem Vater das Sorgerecht zu übertragen. Der SV stützt seine Empfehlung im Wesentlichen auf die mangelnde Bindungstoleranz der Mutter sowie das bei ihr stark ausgeprägte Parental Alienation Syndrome (,,PAS”), welches bei der Mutter dazu führe, aufgrund der durch die Trennung ausgelösten Schmerzen in dem Bedürfnis, selbst Verständnis und Unterstützung zu erfahren, den Kindern ihren Schmerz unverhüllt zu zeigen und damit die Kinder negativ gegen den Vater zu beinflussen. Der Senat teilt aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse diese Auffassung. Auch der Senat sieht in der mangelnden Bindungstoleranz der Mutter ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Übertragung der elterl. Sorge auf den Vater. In der Erkenntnis, dass es dem Wohl der Kinder nach Trennung der Eltern dient, dass der unmittelbare Kontakt zum anderen Elternteil – wenn auch möglicherweise zeitlich reduziert -erhalten bleibt, wird in der Regel dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, ob der potentiell sorgeberechtigte Elternteil vorbehaltlos bereit ist, den persönlichen Umgang der Kinder mit dem anderen Elternteil zuzulassen und das Kind -wenn nötig -hierzu zu motivieren oder nicht (OLG Celle, FamRZ 1994, 924; OLG München, FamRZ 1991, 1343; OLG Bamberg, FamRZ 1990, 1135; OLG Hamburg, FamRZ 1985, 1284;OLG Koblenz, FamRZ 1978, 201; OLG Frankfurt, FamRZ 1997,573; Beschuss des Senats v. 9.8.2001 -10 UF 131/01 -, Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl., §1671 BGB Rz. 61).

Der Senat sieht in Übereinstimmung mit dem SV die Bindungstoleranz der Mutter als erheblich eingeschränkt an. Die Mutter hat seit der Trennung massiv versucht, die Kinder vom Vater fernzuhalten und von ihrem sozialen Umfeld zu entfremden, indem sie die gerichtlichen Beschlüsse teilweise nicht akzeptierte. Die Mutter hat zur Durchsetzung ihrer Interessen den Vater gegenüber den Kindern zum Feindbild stigmatisiert, indem sie diesen immer wieder negativ darstellte. Sie hat sogar nicht davor zurückgeschreckt, den Vater wegen Kindesmisshandlung anzuzeigen und die Kinder zu dem Tatvorwurf polizeilich vernehmen zu lassen. Sie hat dadurch erhebliche Beeinträchtigungen hervorgerufen und damit ihre Erziehungsfähigkeit in einem für die Kinder wichtigen Bereich in Frage gestellt. Die Gründe, die die Mutter für eine Übertragung des Sorgerechts auf sich vorbringt, nämlich den Wunsch der Kinder sowie Verdachtsmomente gegen den Vater, haben sich als nicht stichhaltig herausgestellt. Dass der Vater die Kinder misshandelt hat, hat sich nicht bestätigt. Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 II StPO eingestellt. Weitere Verdachtsmomente, insbesondere auch der sexuellen Misshandlung, haben sich ebenfalls als unbegründet erwiesen.

Soweit die Mutter anführt, die Kinder wollen bei ihr leben, und die Kinder diesen Wunsch in der Anhörung vor dem Senat wiederholt haben, ist dies nicht der eigene, sondern ein von der Mutter beeinflusster Wunsch der Kinder. Nach den Feststellungen des SV sind die Angaben [des jüngeren Kindes] nicht eindeutig, sondern entsprechen dem Willen der älteren Schwester. Auch bei ihr beruhe der geäußerte Wunsch nicht auf ihrem eigenen autonomen Willen, sondern sei aus Schuldgefühlen gegenüber der Mutter entstanden. Nach den Feststellungen des SV entspricht dies dem Motiv, der Mutter Beistand zu sein. Der Wille sei aus einem Schuldgefühl der Mutter gegenüber entstanden, sie wende sich ihr zu, um die Traurigkeit der Mutter zu verhindern. Gleichzeitig verarbeite das Kind damit seine eigenen Schuldgefühle, die es im Zusammenhang mit der Trennung auf sich bezogen hat.

Dieser Entscheidung schließt sich der Senat aufgrund des Eindrucks der Anhörungen und des Berichts der Verfahrenspflegerin an, daher kann auch der Wille des Kindes nicht Maßstab der Entscheidung sein, auch wenn der Wille immer wieder klar und eindeutig geäußert wird (KG, FamRZ 2001, 368;1985, 639,640; BVerfG, FamRZ 2001, 1057; Beschluss des Senats v. 25.4. 2002, 10 UF 260/01 -FamRZ 2002, 1588[LSc]).

Dies entspricht auch kinderpsychologischen Erkenntnissen …..

Soweit [die ältere Schwester] in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich erklärte, zur Mutter zu wollen, da ,,ihr Herz mehr für die Mutter schlage”, vermag der Senat dem aus oben genannten Gründen nicht zu folgen, zumal auch dem geäußerten Kindeswillen in Analogie zu §§ 1671 II S. 2 BGB, 50b II S. 1 FGG erst dann ein ausschlaggebendes Gewicht zukommt, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat (Palandt/Diedrichsen, BGB, 61. Aufl., RZ 24; OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 186).

Auch wenn [die ältere Schwester] in der Anhörung vor dem Senat erklärte, notfalls allein zur Mutter zu wollen, kommt für den Senat eine Trennung der Geschwister nicht in Betracht, da diese aufgrund ihrer starken inneren Verbindung nicht auseinander gerissen werden sollen (so auch Beschluss des Senats v. 21. 7. 2000 -10 UF 160/00; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB Rz 73.)

Die starke Orientierung an der großen Schwester und die intensive gefühlsmäßige Bindung zwischen den Geschwistern waren deutlich sichtbar und spürbar. Eine Trennung der Geschwister würde für diese zu einer erheblichen emotionalen Belastung führen. Es ist allgemein anerkannt, dass der Kontinuität der Geschwisterbeziehung dann besonders große Bedeutung zukommt, wenn die Elternbeziehung zerrüttet ist und sich das gemeinsame Zusammenleben mit diesen trennungsbedingt aufgelöst hat. Die für die Entwicklung eines stabilen Selbstwertgefühls und einer gesunden Beziehungsfähigkeit notwendige Sicherheit und Zuverlässigkeit des innerfamiliären Beziehungsgefüges wird durch die Trennung der Eltern erheblich beeinträchtigt. In dieser krisenhaften Situation gewinnt die fortbestehende Geschwisterbeziehung als Stärke und Halt herausragendes Gewicht. Eine dauerhafte Trennung würde daher zu einem seelischen Schaden der Kinder führen, was sich bereits in der Vergangenheit durch die Verhaltensauffälligkeiten während der einvernehmlichen Regelung hinsichtlich der Geschwistertrennung gezeigt hat. Darüber hinaus hat auch die Mutter damals gezeigt, dass sie selbst die einvernehmliche Trennung der Geschwister nicht zu akzeptieren vermochte.

Die Mutter ist auch im Übrigen aufgrund des bei ihr festgestellten Parental Alienation Syndrome nicht uneingeschränkt erziehungsfähig. Sie hat wiederholt gezeigt, dass sie die Kinder nicht loslassen kann, sie hat durch das Nichtakzeptieren der gerichtlichen Entscheidungen verbunden mit dem ständigen hin und her für die Kinder Konfliktsituationen geschaffen, mit deren Bewältigung die Kinder sind. Auch in der Verhandlung vor dem Senat hat die Mutter erneut gezeigt, dass sie trotz der differenzierten sachverständigen Erklärungen für die Motive der Äußerungen der Kinder im Geschwistergefüge nicht im Interesse der Kinder zurückstehen kann.

Der Senat ist nach wie vor der Auffassung, dass der Vater erziehungsgeeignet ist, ……….

Der Senat hält die Betreuungssituation für die Kinder beim Vater in Übereinstimmung mit den Ausführungen des SV nach wie vor für günstig …[wird ausgeführt]….

Auch der Senat hat bei der Anhörung der Kinder den Eindruck gewonnen, dass es ihnen beim Vater gut geht. Die Kinder machen einen fröhlichen, aufgeweckten Eindruck. Nachdem der Druck der Frage, bei welchem Elternteil sie leben wollen, genommen war, erzählten sie frei und ungezwungen. Der Senat teilt daher die Auffassung des SV und der Verfahrenspflegerin, dass die verbalen Äußerungen der Kinder nicht ihren tatsächlichen Verhalten entsprechen…[wird ausgeführt]….

Daher sieht der Senat letztendlich …………….

4.. ….

Da für die Kinder ……..

III .. (betr. Umgangsregelung)

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf ….

Der Senat sieht keinen Anlass, von der Möglichkeit der Gebührenbefreiung gemäß § 131 III KostO Gebrauch zu machen. Die Mutter hat nämlich die Beschwerde nicht im wohlverstandenen Interesse der Kinder, sondern ausschließlich im eigenen Interesse der Kinder und aus Uneinsichtigkeit eingelegt (vgl. OLG Thüringen, FuR 2000, 121; BGH, Beschluss v. 21. 12. 1988 -IVb Zß 54/88).

(Mitgeteilt vom Vors. Richter am OLG D. Maunz, Dresden)
Umgangsvereitelung und Sorgerechtsentzug

“… In hartnäckigen Umgangsrechts-Verweigerungsfällen (”PAS”) ist als letztes Mittel der Entzug der elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB in Betracht zu ziehen.”

Oberlandesgericht Frankfurt/M, 6. FamS in Darmstadt, Beschluß v. 26.10.2000 – 6 WF 168/00

ausführlich in: “FamRZ 10/2001, S. 638-639

“… Nach dem GG für die Bundesrepublik Deutschland, der einfachgesetzlichen Ausgestaltung im BGB und nach der EMRK steht beiden Elternteilen der uneingeschränkte Zugang zu ihren Kindern zu. Insbesondere für die Durchsetzung des Umgangsrechts, der Umgangspflicht des nichtsorgeberechtigten Elternteils haben die staatlichen Organe zügig Sorge zu tragen. Die Verletzung dieser staatlichen Verpflichtung führt zur Schadenersatzverpflichtung des Staates, wie der EuGHMR im Urteil von 13.7.2000 (…) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat. Im vorliegenden Fall führt die Mutter dem Vater die Kinder nicht zu, sie missbraucht daher ihre Stellung als derzeit allein sorgeberechtigter Elternteil, sie erweist sich als erziehungsunfähig. Gehört doch zur Erziehungsfähigkeit auch die Bindungstoleranz, wie der Senat wiederholt ausgesprochen (…) und wie auch Prof. V. der Mutter im Anhörungstermin eindrücklich klargemacht hat; auch wurde im Termin darauf hingewiesen, dass die Mädchen zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit des gegengeschlechtlichen Elternteils bedürfen.

Die Familiengerichtsbarkeit hat daher alles zu tun, um auch den Vorgaben des EuGHMR nachzukommen – aber wie? Die zitierten Entscheidungen des (…) OLG Frankfurt/M. und des OLG Koblenz geben gewisse Hinweise, wie das weitere Vorgehen in derartigen Verweigerungsfällen (”Parental Alienation Syndrome”) gestaltet werden kann. Nachdem nun aber die Mutter den Hinweis des Senats in einem Beschluss vom 1.8.2000, dass aus ihrer Verweigerungshaltung negative Schlüsse auf ihre weitere Erziehungsfähigkeit gezogen werden können, beharrlich ignoriert, und Zwangsgeldfestsetzungen zur Durchführung der noch immer bestehenden Umgangsregelung wegen derzeitiger Pfandlosigkeit der Mutter ins Leere gehen (ein früheres Zwangsgeld mussten die Kinder vom Taschengeld mitfinanzieren), wird das AmtsG nunmehr zu prüfen haben, ob nicht von Amts wegen oder auf Antrag des Vaters, der sich zur Übernahme des alleinigen Sorgerechts bereit erklärt hat, der Mutter das Sorgerecht gemäß § 1666 BGB zu entziehen sein wird. Nach dem Eindruck, den der Vater im Termin hinterlassen hat, ist davon auszugehen, dass er das Umgangsrecht der Mutter uneingeschränkt gewährleisten wird.”

Ein begrüßenswertes Urteil des OLG Frankfurt/M

Sorgerechtsregelung in Frankreich

Beide Elternteile gleichgestellt

Von Anne Christine Heckmann, SR-Hörfunkstudio Paris

In Frankreich haben nicht verheiratete Eltern das gemeinsame Sorgerecht für ihr Kind. Voraussetzung ist, dass der Vater sein Kind innerhalb eines Jahres nach der Geburt anerkennt. Dann erhält er automatisch das gleiche Sorgerecht wie ein ehelicher Vater. Beide Elternteile sind in Frankreich also gleich gestellt. Das sieht das Gesetz zur “elterlichen Verantwortung” von 1993 vor.

Seit der Reform von 2002 bleibt das gemeinsame Sorgerecht für unverheiratete Eltern auch dann bestehen, wenn Vater und Mutter nicht mehr zusammen wohnen oder getrennt sind. Damit wollte die französische Regierung die Väter stärken. Seitdem ist auch ein gemeinsames Sorgerechtsmodell möglich, bei dem das Kind abwechselnd bei Vater und Mutter lebt.

Im Streitfall kann ein Familiengericht einen Vermittler zwischen den Parteien bestellen. Diese sogenannte Mediation ist dann verpflichtend. Ein Entzug des Sorgerechts bleibt die Ausnahme.

Europarat SEV Nr. 105

Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses
Luxemburg, 20.V.1980

English
Amtliche Übersetzung Deutschlands

Die Mitgliedstaaten des Europarats, die dieses Übereinkommen unterzeichnen,

in der Erkenntnis, daß in den Mitgliedstaaten des Europarats das Wohl des Kindes bei Entscheidungen über das Sorgerecht von ausschlaggebender Bedeutung ist;

in der Erwägung, daß die Einführung von Regelungen, welche die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für ein Kind erleichtern sollen, einen größeren Schutz für das Wohl der Kinder gewährleisten wird;in der Erwägung, daß es in Anbetracht dessen wünschenswert ist hervorzuheben, daß das Recht der Eltern zum persönlichen Umgang mit dem Kind eine normale Folgeerscheinung des Sorgerechts ist;

im Hinblick auf die wachsende Zahl von Fällen, in denen Kinder in unzulässiger Weise über eine internationale Grenze verbracht worden sind, und die Schwierigkeiten, die dabei entstandenen Probleme in angemessener Weise zu lösen;

in dem Wunsch, geeignete Vorkehrungen zu treffen, die es ermöglichen, das willkürlich unterbrochene Sorgeverhältnis zu Kindern wiederherzustellen;

überzeugt, daß es wünschenswert ist, zu diesem Zweck Regelungen zu treffen, die den verschiedenen Bedürfnissen und den unterschiedlichen Umständen entsprechen;

in dem Wunsch, zwischen ihren Behörden eine Zusammenarbeit auf rechtlichem Gebiet herbeizuführen,

sind wie folgt übereingekommen:

Artikel 1

Im Sinn dieses Übereinkommens bedeutet:

“Kind” eine Person gleich welcher Staatsangehörigkeit, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und noch nicht berechtigt ist, nach dem Recht ihres gewöhnlichen Aufenthalts, dem Recht des Staates, dem sie angehört, oder dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates ihren eigenen Aufenthalt zu bestimmen;
“Behörde” ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde;
“Sorgerechtsentscheidung” die Entscheidung einer Behörde, soweit sie die Sorge für die Person des Kindes, einschließlich des Rechts auf Bestimmung seines Aufenthalts oder des Rechts zum persönlichen Umgang mit ihm, betrifft;
“unzulässiges Verbringen” das Verbringen eines Kindes über eine internationale Grenze, wenn dadurch eine Sorgerechtsentscheidung verletzt wird, die in einem Vertragsstaat ergangen und in einem solchen Staat vollstreckbar ist; als unzulässiges Verbringen gilt auch der Fall, in dem:

das Kind am Ende einer Besuchszeit oder eines sonstigen vorübergehenden Aufenthalts in einem anderen Hoheitsgebiet als dem, in dem das Sorgerecht ausgeübt wird, nicht über eine internationale Grenze zurückgebracht wird;
das Verbringen nachträglich nach Artikel 12 für widerrechtlich erklärt wird.

Teil I – Zentrale Behörden

Artikel 2

Jeder Vertragsstaat bestimmt eine zentrale Behörde, welche die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Aufgaben wahrnimmt.
Bundesstaaten und Staaten mit mehreren Rechtssystemen steht es frei, mehrere zentrale Behörden zu bestimmen; sie legen deren Zuständigkeit fest.
Jede Bezeichnung nach diesem Artikel wird dem Generalsekretär des Europarats notifiziert.

Artikel 3

Die zentralen Behörden der Vertragsstaaten arbeiten zusammen und fördern die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden ihrer Staaten. Sie haben mit aller gebotenen Eile zu handeln.
Um die Durchführung dieses Übereinkommens zu erleichtern, werden die zentralen Behörden der Vertragsstaaten:

die übermittlung von Auskunftsersuchen sicherstellen, die von zuständigen Behörden ausgehen und sich auf Rechts- oder Tatsachenfragen in anhängigen Verfahren beziehen;
einander auf Ersuchen Auskünfte über ihr Recht auf dem Gebiet des Sorgerechts für Kinder und über dessen änderungen erteilen;
einander über alle Schwierigkeiten unterrichten, die bei der Anwendung des Übereinkommens auftreten können, und Hindernisse, die seiner Anwendung entgegenstehen, soweit wie möglich ausräumen.

Artikel 4

Wer in einem Vertragsstaat eine Sorgerechtsentscheidung erwirkt hat und sie in einem anderen Vertragsstaat anerkennen oder vollstrecken lassen will, kann zu diesem Zweck einen Antrag an die zentrale Behörde jedes beliebigen Vertragsstaats richten.
Dem Antrag sind die in Artikel 13 genannten Schriftstücke beizufügen.
Ist die zentrale Behörde, bei der der Antrag eingeht, nicht die zentrale Behörde des ersuchten Staates, so übermittelt sie die Schriftstücke unmittelbar und unverzüglich der letztgenannten Behörde.
Die zentrale Behörde, bei der der Antrag eingeht, kann es ablehnen, tätig zu werden, wenn die Voraussetzungen nach diesem Übereinkommen offensichtlich nicht erfüllt sind.
Die zentrale Behörde, bei der der Antrag eingeht, unterrichtet den Antragsteller unverzüglich über den Fortgang seines Antrags.

Artikel 5

Die zentrale Behörde des ersuchten Staates trifft oder veranlaßt unverzüglich alle Vorkehrungen, die sie für geeignet hält, und leitet erforderlichenfalls ein Verfahren vor dessen zuständigen Behörden ein, um:

den Aufenthaltsort des Kindes ausfindig zu machen;
zu vermeiden, insbesondere durch alle erforderlichen vorläufigen Maßnahmen, daß die Interessen des Kindes oder des Antragstellers beeinträchtigt werden;
die Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung sicherzustellen;
die Rückgabe des Kindes an den Antragsteller sicherzustellen, wenn die Vollstreckung der Entscheidung bewilligt wird;
die ersuchende Behörde über die getroffenen Maßnahmen und deren Ergebnisse zu unterrichten.

Hat die zentrale Behörde des ersuchten Staates Grund zu der Annahme, daß sich das Kind im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats befindet, so übermittelt sie die Schriftstücke unmittelbar und unverzüglich der zentralen Behörde dieses Staates.
Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, vom Antragsteller keine Zahlungen für Maßnahmen zu verlangen, die für den Antragsteller aufgrund des Absatzes 1 von der zentralen Behörde des betreffenden Staates getroffen werden; darunter fallen auch die Verfahrenskosten und gegebenenfalls die Kosten für einen Rechtsanwalt, nicht aber die Kosten für die Rückführung des Kindes.
Wird die Anerkennung oder Vollstreckung versagt und ist die zentrale Behörde des ersuchten Staates der Auffassung, daß sie dem Ersuchen des Antragstellers stattgeben sollte, in diesem Staat eine Entscheidung in der Sache selbst herbeizuführen, so bemüht sich diese Behörde nach besten Kräften, die Vertretung des Antragstellers in dem Verfahren unter Bedingungen sicherzustellen, die nicht weniger günstig sind als für eine Person, die in diesem Staat ansässig ist und dessen Staatsangehörigkeit besitzt; zu diesem Zweck kann sie insbesondere ein Verfahren vor dessen zuständigen Behörden einleiten.

Artikel 6

Vorbehaltlich besonderer Vereinbarungen zwischen den beteiligten zentralen Behörden und der Bestimmungen des Absatzes 3:

müssen Mitteilungen an die zentrale Behörde des ersuchten Staates in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen dieses Staates abgefaßt oder von einer übersetzung in diese Sprache begleitet sein;
muß die zentrale Behörde des ersuchten Staates aber auch Mitteilungen annehmen, die in englischer oder französischer Sprache abgefaßt oder von einer übersetzung in eine dieser Sprachen begleitet sind.

Mitteilungen, die von der zentralen Behörde des ersuchten Staates ausgehen, einschließlich der Ergebnisse von Ermittlungen, können in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen dieses Staates oder in englischer oder französischer Sprache abgefaßt sein.
Ein Vertragsstaat kann die Anwendung des Absatzes 1 Buchstabe b ganz oder teilweise ausschließen. Hat ein Vertragsstaat diesen Vorbehalt angebracht, so kann jeder andere Vertragsstaat ihm gegenüber den Vorbehalt auch anwenden.

Teil II – Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses

Artikel 7

Sorgerechtsentscheidungen, die in einem Vertragsstaat ergangen sind, werden in jedem anderen Vertragsstaat anerkannt und, wenn sie im Ursprungsstaat vollstreckbar sind, für vollstreckbar erklärt.

Artikel 8

Im Fall eines unzulässigen Verbringens hat die zentrale Behörde des ersuchten Staates umgehend die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses zu veranlassen, wenn:

zur Zeit der Einleitung des Verfahrens in dem Staat, in dem die Entscheidung ergangen ist, oder zur Zeit des unzulässigen Verbringens, falls dieses früher erfolgte, das Kind und seine Eltern nur Angehörige dieses Staates waren und das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Staates hatte, und
der Antrag auf Wiederherstellung innerhalb von sechs Monaten nach dem unzulässigen Verbringen bei einer zentralen Behörde gestellt worden ist.

Können nach dem Recht des ersuchten Staates die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht ohne ein gerichtliches Verfahren erfüllt werden, so finden in diesem Verfahren die in dem Übereinkommen genannten Versagungsgründe keine Anwendung.
Ist in einer von einer zuständigen Behörde genehmigten Vereinbarung zwischen dem Sorgeberechtigten und einem Dritten diesem das Recht zum persönlichen Umgang eingeräumt worden und ist das ins Ausland gebrachte Kind am Ende der vereinbarten Zeit dem Sorgeberechtigten nicht zurückgegeben worden, so wird das Sorgeverhältnis nach Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 wiederhergestellt. Dasselbe gilt, wenn durch Entscheidung der zuständigen Behörde ein solches Recht einer Person zuerkannt wird, die nicht sorgeberechtigt ist.

Artikel 9

Ist in anderen als den in Artikel 8 genannten Fällen eines unzulässigen Verbringens ein Antrag innerhalb von sechs Monaten nach dem Verbringen bei einer zentralen Behörde gestellt worden, so können die Anerkennung und Vollstreckung nur in folgenden Fällen versagt werden:

wenn bei einer Entscheidung, die in Abwesenheit des Beklagten oder seines gesetzlichen Vertreters ergangen ist, dem Beklagten das das Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück weder ordnungsgemäß noch so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte; die Nichtzustellung kann jedoch dann kein Grund für die Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung sein, wenn die Zustellung deswegen nicht bewirkt worden ist, weil der Beklagte seinen Aufenthaltsort der Person verheimlicht hat, die das Verfahren im Ursprungsstaat eingeleitet hatte;
wenn bei einer Entscheidung, die in Abwesenheit des Beklagten oder seines gesetzlichen Vertreters ergangen ist, die Zuständigkeit der die Entscheidung treffenden Behörde nicht gegründet war auf:

den gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten,
den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern des Kindes, sofern wenigstens ein Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch dort hat, oder
den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes;

wenn die Entscheidung mit einer Sorgerechtsentscheidung unvereinbar ist, die im ersuchten Staat vor dem Verbringen des Kindes vollstreckbar wurde, es sei denn, das Kind habe während des Jahres vor seinem Verbringen den gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates gehabt.
Ist kein Antrag bei einer zentralen Behörde gestellt worden, so findet Absatz 1 auch dann Anwendung, wenn innerhalb von sechs Monaten nach dem unzulässigen Verbringen die Anerkennung und Vollstreckung beantragt wird.
Auf keinen Fall darf die ausländische Entscheidung inhaltlich nachgeprüft werden.

Artikel 10

In anderen als den in den Artikeln 8 und 9 genannten Fällen können die Anerkennung und Vollstreckung nicht nur aus den in Artikel 9 vorgesehenen, sondern auch aus einem der folgenden Gründe versagt werden:

wenn die Wirkungen der Entscheidung mit den Grundwerten des Familien- und Kindschaftsrechts im ersuchten Staat offensichtlich unvereinbar sind;
wenn aufgrund einer änderung der Verhältnisse – dazu zählt auch der Zeitablauf, nicht aber der bloße Wechsel des Aufenthaltsorts des Kindes infolge eines unzulässigen Verbringens – die Wirkungen der ursprünglichen Entscheidung offensichtlich nicht mehr dem Wohl des Kindes entsprechen;
wenn zur Zeit der Einleitung des Verfahrens im Ursprungsstaat

das Kind Angehöriger des ersuchten Staates war oder dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und keine solche Beziehung zum Ursprungsstaat bestand;
das Kind sowohl Angehöriger des Ursprungsstaats als auch des ersuchten Staates war und seinen gewöhnlichen Aufenthalt im ersuchten Staat hatte;

wenn die Entscheidung mit einer im ersuchten Staat ergangenen oder mit einer dort vollstreckbaren Entscheidung eines Drittstaats unvereinbar ist; die Entscheidung muß in einem Verfahren ergangen sein, das eingeleitet wurde, bevor der Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckung gestellt wurde, und die Versagung muß dem Wohl des Kindes entsprechen.
In diesen Fällen können Verfahren auf Anerkennung oder Vollstreckung aus einem der folgenden Gründe ausgesetzt werden:

wenn gegen die ursprüngliche Entscheidung ein ordentliches Rechtsmittel eingelegt worden ist;
wenn im ersuchten Staat ein Verfahren über das Sorgerecht für das Kind anhängig ist und dieses Verfahren vor Einleitung des Verfahrens im Ursprungsstaat eingeleitet wurde;
wenn eine andere Entscheidung über das Sorgerecht für das Kind Gegenstand eines Verfahrens auf Vollstreckung oder eines anderen Verfahrens auf Anerkennung der Entscheidung ist.

Artikel 11

Die Entscheidungen über das Recht zum persönlichen Umgang mit dem Kind und die in Sorgerechtsentscheidungen enthaltenen Regelungen über das Recht zum persönlichen Umgang werden unter den gleichen Bedingungen wie andere Sorgerechtsentscheidungen anerkannt und vollstreckt.
Die zuständige Behörde des ersuchten Staates kann jedoch die Bedingungen für die Durchführung und Ausübung des Rechts zum persönlichen Umgang festlegen; dabei werden insbesondere die von den Parteien eingegangenen diesbezüglichen Verpflichtungen berücksichtigt.
Ist keine Entscheidung über das Recht zum persönlichen Umgang ergangen oder ist die Anerkennung oder Vollstreckung der Sorgerechtsentscheidung versagt worden, so kann sich die zentrale Behörde des ersuchten Staates auf Antrag der Person, die das Recht zum persönlichen Umgang beansprucht, an die zuständige Behörde ihres Staates wenden, um eine solche Entscheidung zu erwirken.

Artikel 12

Liegt zu dem Zeitpunkt, in dem das Kind über eine internationale Grenze verbracht wird, keine in einem Vertragsstaat ergangene vollstreckbare Sorgerechtsentscheidung vor, so ist dieses Übereinkommen auf jede spätere in einem Vertragsstaat ergangene Entscheidung anzuwenden, mit der das Verbringen auf Antrag eines Beteiligten für widerrechtlich erklärt wird.

Teil III – Verfahren

Artikel 13

Dem Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckung einer Sorgerechtsentscheidung in einem anderen Vertragsstaat sind beizufügen:

ein Schriftstück, in dem die zentrale Behörde des ersuchten Staates ermächtigt wird, für den Antragsteller tätig zu werden oder einen anderen Vertreter für diesen Zweck zu bestimmen;
eine Ausfertigung der Entscheidung, welche die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt;
im Fall einer in Abwesenheit des Beklagten oder seines gesetzlichen Vertreters ergangenen Entscheidung ein Schriftstück, aus dem sich ergibt, daß das Schriftstück, mit dem das Verfahren eingeleitet wurde, oder ein gleichwertiges Schriftstück dem Beklagten ordnungsgemäß zugestellt worden ist;
gegebenenfalls ein Schriftstück, aus dem sich ergibt, daß die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaates vollstreckbar ist;
wenn möglich eine Angabe über den Aufenthaltsort oder den wahrscheinlichen Aufenthaltsort des Kindes im ersuchten Staat;
Vorschläge dafür, wie das Sorgeverhältnis zu dem Kind wiederhergestellt werden soll.

Den obengenannten Schriftstücken ist erforderlichenfalls eine übersetzung nach Maßgabe des Artikels 6 beizufügen.

Artikel 14

Jeder Vertragsstaat wendet für die Anerkennung und Vollstreckung von Sorgerechtsentscheidungen ein einfaches und beschleunigtes Verfahren an. Zu diesem Zweck stellt er sicher, daß die Vollstreckbarerklärung in Form eines einfachen Antrags begehrt werden kann.

Artikel 15

Bevor die Behörde des ersuchten Staates eine Entscheidung nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b trifft:

muß sie die Meinung des Kindes feststellen, sofern dies nicht insbesondere wegen seines Alters und Auffassungsvermögens undurchführbar ist;
kann sie verlangen, daß geeignete Ermittlungen durchgeführt werden.

Die Kosten für die in einem Vertragsstaat durchgeführten Ermittlungen werden von den Behörden des Staates getragen, in dem sie durchgeführt wurden.
Ermittlungsersuchen und die Ergebnisse der Ermittlungen können der ersuchenden Behörde über die zentralen Behörden mitgeteilt werden.

Artikel 16

Für die Zwecke dieses Übereinkommens darf keine Legalisation oder ähnliche Förmlichkeit verlangt werden.

Teil IV – Vorbehalte

Artikel 17

Jeder Vertragsstaat kann sich vorbehalten, daß in den von den Artikeln 8 und 9 oder von einem dieser Artikel erfaßten Fällen die Anerkennung und Vollstreckung von Sorgerechtsentscheidungen aus denjenigen der in Artikel 10 vorgesehenen Gründe versagt werden kann, die in dem Vorbehalt bezeichnet sind.
Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die in einem Vertragsstaat ergangen sind, der den in Absatz 1 vorgesehenen Vorbehalt angebracht hat, können in jedem anderen Vertragsstaat aus einem der in diesem Vorbehalt bezeichneten zusätzlichen Gründe versagt werden.

Artikel 18

Jeder Vertragsstaat kann sich vorbehalten, durch Artikel 12 nicht gebunden zu sein. Auf die in Artikel 12 genannten Entscheidungen, die in einem Vertragsstaat ergangen sind, der einen solchen Vorbehalt angebracht hat, ist dieses Übereinkommen nicht anwendbar.

Teil V – Andere übereinkünfte

Artikel 19

Dieses Übereinkommen schließt nicht aus, daß eine andere internationale übereinkunft zwischen dem Ursprungsstaat und dem ersuchten Staat oder das nichtvertragliche Recht des ersuchten Staates angewendet wird, um die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung zu erwirken.

Artikel 20

Dieses Übereinkommen läßt Verpflichtungen unberührt, die ein Vertragsstaat gegenüber einem Nichtvertragsstaat aufgrund einer internationalen übereinkunft hat, die sich auf in diesem Übereinkommen geregelte Angelegenheiten erstreckt.
Haben zwei oder mehr Vertragsstaaten auf dem Gebiet des Sorgerechts für Kinder einheitliche Rechtsvorschriften erlassen oder ein besonderes System zur Anerkennung oder Vollstreckung von Entscheidungen auf diesem Gebiet geschaffen oder werden sie dies in Zukunft tun, so steht es ihnen frei, anstelle des Übereinkommens oder eines Teiles davon diese Rechtsvorschriften oder dieses System untereinander anzuwenden. Um von dieser Bestimmung Gebrauch machen zu können, müssen diese Staaten ihre Entscheidung dem Generalsekretär des Europarats notifizieren. Jede änderung oder Aufhebung dieser Entscheidung ist ebenfalls zu notifizieren.

Teil VI – Schlußbestimmungen

Artikel 21

Dieses Übereinkommen liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.

Artikel 22

Dieses Übereinkommen tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem drei Mitgliedstaaten des Europarats nach Artikel 21 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Übereinkommen gebunden zu sein.
Für jeden Mitgliedstaat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch das Übereinkommen gebunden zu sein, tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde folgt.

Artikel 23

Nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens kann das Ministerkomitee des Europarats durch einen mit der in Artikel 20 Buchstabe d der Satzung vorgesehenen Mehrheit und mit einhelliger Zustimmung der Vertreter der Vertragsstaaten, die Anspruch auf einen Sitz im Komitee haben, gefaßten Beschluß jeden Nichtmitgliedstaat des Rates einladen, dem Übereinkommen beizutreten.
Für jeden beitretenden Staat tritt das Übereinkommen am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats folgt.

Artikel 24

Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Übereinkommen Anwendung findet.
Jeder Staat kann jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung die Anwendung dieses Übereinkommens auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken. Das Übereinkommen tritt für dieses Hoheitsgebiet am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Erklärung beim Generalsekretär folgt.
Jede nach den Absätzen 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Rücknahme wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von sechs Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.

Artikel 25

Ein Staat, der aus zwei oder mehr Gebietseinheiten besteht, in denen für Angelegenheiten des Sorgerechts für Kinder und für die Anerkennung und Vollstreckung von Sorgerechtsentscheidungen unterschiedliche Rechtssysteme gelten, kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde erklären, daß dieses Übereinkommen auf alle seine Gebietseinheiten oder auf eine oder mehrere davon Anwendung findet.
Ein solcher Staat kann jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Erklärung die Anwendung dieses Übereinkommens auf jede weitere in der Erklärung bezeichnete Gebietseinheit erstrecken. Das Übereinkommen tritt für diese Gebietseinheit am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Erklärung beim Generalsekretär folgt.
Jede nach den Absätzen 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in bezug auf jede darin bezeichnete Gebietseinheit durch eine an den Generalsekretär gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Rücknahme wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von sechs Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.

Artikel 26

Bestehen in einem Staat auf dem Gebiet des Sorgerechts für Kinder zwei oder mehr Rechtssysteme, die einen räumlich verschiedenen Anwendungsbereich haben, so ist:

eine Verweisung auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts oder der Staatsangehörigkeit einer Person als Verweisung auf das Rechtssystem zu verstehen, das von den in diesem Staat geltenden Rechtsvorschriften bestimmt wird, oder, wenn es solche Vorschriften nicht gibt, auf das Rechtssystem, zu dem die betreffende Person die engste Beziehung hat;
eine Verweisung auf den Ursprungsstaat oder auf den ersuchten Staat als Verweisung auf die Gebietseinheit zu verstehen, in der die Entscheidung ergangen ist oder in der die Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung oder die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses beantragt wird.

Absatz 1 Buchstabe a wird entsprechend auf Staaten angewendet, die auf dem Gebiet des Sorgerechts zwei oder mehr Rechtssysteme mit persönlich verschiedenem Anwendungsbereich haben.

Artikel 27

Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde erklären, daß er von einem oder mehreren der in Artikel 6 Absatz 3 und in den Artikeln 17 und 18 vorgesehenen Vorbehalte Gebrauch macht. Weitere Vorbehalte sind nicht zulässig.
Jeder Vertragsstaat, der einen Vorbehalt nach Absatz 1 angebracht hat, kann ihn durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation ganz oder teilweise zurücknehmen. Die Rücknahme wird mit dem Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.

Artikel 28

Der Generalsekretär des Europarats lädt am Ende des dritten Jahres, das auf den Tag des Inkrafttretens dieses Übereinkommens folgt, und von sich aus jederzeit danach die Vertreter der von den Vertragsstaaten bestimmten zentralen Behörden zu einer Tagung ein, um die Wirkungsweise des Übereinkommens zu erörtern und zu erleichtern. Jeder Mitgliedstaat des Europarats, der nicht Vertragspartei des Übereinkommens ist, kann sich durch einen Beobachter vertreten lassen. über die Arbeiten jeder Tagung wird ein Bericht angefertigt und dem Ministerkomitee des Europarats zur Kenntnisnahme vorgelegt.

Artikel 29

Jede Vertragspartei kann dieses Übereinkommen jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation kündigen.
Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von sechs Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.

Artikel 30

Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates und jedem Staat, der diesem Übereinkommen beigetreten ist:

jede Unterzeichnung;
jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde;
jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens nach den Artikeln 22, 23, 24 und 25;
jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem Übereinkommen.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.

Geschehen zu Luxemburg am 20. Mai 1980 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats und allen zum Beitritt zu diesem Übereinkommen eingeladenen Staaten beglaubigte Abschriften.